Dreisatz-Dramen in Rot-Weiß-Rot

Foto: Manfred Binder/NÖ Open

Am Mittwoch zeigten speziell die Austro-Youngsters im Doppel auf. Im Einzel gingen zwei ÖTV-Daviscupper für ein Viertelfinalticket bei den NÖ Open Powered by EVN ganz bis ans Limit, aber letztlich leider trotzdem aus dem Turnier. Ein anderer Österreicher hingegen will am Donnerstag gegen die Nummer 1 beweisen, dass er ungebrochen zu den heißen und nicht zu den alten Eisen zählt.

Bereits im Vorfeld der NÖ Open powered by EVN 1.0, im Jahr 2021, präsentierten ÖTV-Sportchef Jürgen Melzer und der nunmehrige Tulln-Turnierdirektor Florian Leitgeb ihre Vision: Mit einem neuen Challenger wollte man speziell heimischen Tennis-Cracks die Chance geben, sich in Österreich zu präsentieren und, mit dem Heimvorteil im Rücken, der eigenen Karriere einen Boost zu versetzen ohne horrende Reisekosten für sich und ihr Team stemmen zu müssen. Vorbild war dabei Italien, wo durch eine Vielzahl von Turnieren auch unterhalb der ATP Worldtour eine sportliche Breite kreiert werden konnte, welche die Tifosi in der absoluten Weltspitze zur Großmacht gepusht hat. Langfristig hofft man auch in Österreich auf diesen Effekt, zum Beispiel bei den beiden Leitgeb-Turnieren eben hier in Tulln und in Mauthausen.

Spieler der unterschiedlichsten Altersstufen sind jedenfalls happy über das Angebot und danken es mit vielfach guten Vorstellungen und mit Siegen. Letztere brachte auch der Mittwoch, der gleich mit einem Erfolg zweier Hoffnungsträger losging. So revanchierte sich das Doppel aus dem 19-jährigen Burgenländer Matthias Ujvary und der 23-jährige Tiroler Sandro Kopp für ihre Doppel Wildcard und schlug das US-Paar Vance/Vega mit 6:4, 3:6, 10:2. Die Viertelfinalgegner Theo Arribage und Luca Sanchez stammen aus Frankreich und sind bei den NÖ Open powered by EVN 2023 an Nummer 1 gesetzt. Aufgeschlagen wird im zweiten Match ab 11:00 Uhr am Grandstand.

Gleich danach folgte der nächste Erfolg für einen Österreicher. Diesmal war es der, mit 33, deutlich routiniertere Gerald Melzer, welcher sich mit dem deutschen Einzelsieger von 2021, Mats Moraing, zusammengetan hat, um in Runde 1 das austro-ukrainische Doppel Pichler/Sachko auszuschalten, 2:6, 6:3,10:4. Ein bittersüßer Sieg für den Deutsch-Wagramer, der sich nach einer längeren Matchpause in Tulln mit zwei Siegen in der Einzelqualifikation, einem weiteren im Hauptbewerb und nun jenem im Doppel ein wenig selbst überraschte und nun am Donnerstag gleich zweimal auflaufen darf. Im Einzel übrigens in einem Linkshänderduell gegen die Nummer 1 der Tullner Setzliste, den 35-jährigen Spanier Albert Ramos-Vinolas (zweites Spiel am Centercourt, nicht vor 14:00 Uhr), und im Doppelviertelfinale gegen das tschechisch-slowenische Paar Kolar/ Rola (nach einer Pause und nicht vor 15:00 Uhr am Grandstand).

Für Hochspannung sorgten am Mittwoch Österreichs Nummer 3, der 24-jährige Niederösterreicher Jurij Rodionov und der Tscheche Vit Kopriva (ATP-Nr. 194). In Tulln an zwei gesetzt, hat der frischgebackene Top-100-Spieler aus Matzen ja die Ranking-Zweistelligkeit als Mindestziel ausgegeben. Um diese sicherzustellen, hätte ein Sieg geholfen. Und nachdem sich Rodionov von einem noch verkrampften 5:7 in Satz eins freispielen und Satz zwei in beeindruckender Manier für sich verbuchen konnte, sah es ganz danach aus. Allein Kopriva spielte nicht mit und schob einen sehenswerten Lauf bis zum 4:1 und weiter zum 5:2. Dann plötzlich wieder die enthemmte Gegenoffensive, welche Jurij Rodionov bis auf 4:5 heranbrachte. Nach dem letzten Seitenwechsel war es aber dann der 26- jährige aus Bilovec, der sein Herz und die Initiative etwas fester in die Hand nahm und seinem plötzlich wieder defensiv agierenden Gegenüber mit 6:4 den sportlichen Garaus machte. „Irgendwie habe ich leider nie wirklich zu meiner Form gefunden und heute teilweise zu passiv agiert. Vit hat darauf gut reagiert und ist im Laufe der Partie immer stärker geworden. Sehr schade, da war doch mehr drinnen“, so die selbstkritische Rodionov-Analyse.

Den stilvollen Abschluss eines aufregenden Tennistages bescherte den zahlreich angereisten Fans Lokalmatador und Doppelspezialist Lucas Miedler – diesmal aber eben als Solist und gegen den deutschen Überraschungsmann und „Titelverteidigerbezwinger“ Henri Squire. Und einmal mehr packte Miedler sein bereits in der Zeit als hochveranlagter Jugendlicher geschmiedetes und zuletzt im Stahlbad der Doppelweltklasse geschärftes Schlagarsenal aus. Permanenter Drall- und Tempowechsel, überraschende Servicevarianten und aggressive Returns überrumpelten Squire speziell im ersten Satz und brachten Miedler ein souveränes 6:4. Im zweiten Satz zeigte sich der 22-jährige Duisburger dann doch konzentrierter und ließ den fünf Jahre älteren Österreicher immer öfter, immer weitere Weg gehen, freilich ohne ihn deutlich zu dominieren. Trotzdem: 6:3 für den so grundsätzlich angriffslustigen Henri Squire. Der dritte Satz lieferte dann vier abwechslungsreiche Games lang ähnliches wie der erste: Ein weiterhin spielfreudiger Miedler legt vor und ein notorisch unberechenbarer Squire bleibt dran. Doch dann glückte dem Deutschen doch das letztlich entscheidende Break und dessen Bestätigung zum 4:2. Dem ungebrochen kampfstarken und konzentrierten Local Hero gelang es danach das Match „in der Reihe“ zu halten, aber leider kein Re-Break. Fazit: 4:6, 6:3, 6:4 für Henri Squire und ein Lucas Miedler, der vor den Augen von Familie und Freunden einmal mehr zeigte, was er auch „allein zu Hause“ im Stande ist zu leisten. „Lucas spielt mit sehr vielen Varianten, was es nicht leichter macht, wenn du dich selbst nicht hundertprozentig wohl am Platz fühlst. Trotzdem habe ich versucht, dranzubleiben. Als es mir dann beim Aufschlag zweimal gelungen ist, von 0:40 zurückzukommen, ist das Gefühl besser geworden und ich habe ihm nicht mehr so viele freie Punkte gegeben“, so Henri Squire wenige Minuten nach seinem Einzug ins Viertelfinale. Dort trifft er dann freitags auf Italiens 21-jährigen Jungstar Flavio Cobolli, der von der verletzungsbedingten Aufgabe seines Achtelfinalgegner Laaksonen profitierte.

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